Das WanderradEine KonstruktionsanleitungHintergrundIm Februar 2000 wurde bei unserem damals vierjährigen Sohn Morbus Perthes diagnostiziert und im April erhielt er für das rechte Bein eine Perthesschiene. Damit waren er und wir insgesamt recht stark in unserer Mobilität eingeschränkt, da wir sonst gern und viel zu Fuß unterwegs waren und im Urlaub und an den Wochenenden ausgiebig durch Feld und Wald gewandert sind, während die Fortbewegung mit der Schiene nun doch nur relativ langsam und auf einigermaßen glattem Gelände möglich ist. Deshalb haben wir nach einigem Tüfteln das im folgenden beschriebene Wanderrad entwickelt und gebaut, um trotz Perthesschiene weiterhin mit unserem Sohn in Wald und Feld unterwegs sein zu können. In der aktuellen Version ist er sehr zufrieden damit und hat es liebevoll ``Schienenfeuerwehr'' genannt. Es ist robust klein, leicht beweglich und sehr geländegängig. Im Juli 2000 war das Rad in seiner jetzigen Form fertig und hat dann im August während unseres Urlaubs auf vielen Wanderungen auf unterschiedlichstem Untergrund und bei verschiedensten Wetterlagen seine Praxistauglichkeit bewiesen. |
Die erste Bedingung, die wir an das Rad gestellt haben, war die Möglichkeit, auch schmale und recht unebene Trampelpfade begehen zu können. Damit fielen die verschiedenen kommerziellen Wagenversionen aus, die meist recht breit und nur beschränkt geländetauglich sind. Das Rad sollte sich leicht mit einer Hand bewegen und steuern lassen, so dass auch Kurven und Bordsteinkanten ohne Umgreifen bewältigt werden können.
Daneben sollte das Fortbewegungsmittel so klein sein, dass es sich auch bequem im Zugabteil transportieren lässt, da wir von verschiedenen Kinderwagenerfahrungen in der Bahn schon recht abgeschreckt waren.
Als Grundgerüst für das Wanderrad konnten wir ein Kinderfahrrad nutzen, wollten aber keine wesentlichen irreversiblen Änderungen daran vornehmen, so dass es später wieder normal als Fahrrad nutzbar ist. Somit wurden nur Pedalen, Lenker und Sattel abgebaut und das vordere Schutzblech etwas eingekürzt, sonst aber nichts geändert.
Nachdem wir mit verschiedenen Sitzmöglichkeiten experimentiert hatten, haben wir uns für einen einfachen Fahrradkindersitz (bis 18 kg, ca. 50 DM) entschieden, der die größtmögliche Sicherheit und Bequemlichkeit lieferte.
Daneben werden benötigt: 2 einfache Lenkervorbaustücke, ein Paar Lenkergriffe, ca. 20 cm Rohr (Außendurchmesser 21 mm), 2.5 m dünneres Rohr (hier Aluminium, Aussendurchmesser 16 mm), eine Gewindestange (50cm, 8mm Durchmesser), ein Winkel, 2 Schlauchschellen, Montageband und Schrauben.
Damit sich das Fahrzeug auf unebenem Gelände gut und ohne größeren Kraftaufwand steuern lässt, ist es wichtig, dass der Schwerpunkt des Wanderrads mit Kind nur knapp vor der Achse des Hinterrades sitzt. Außerdem sollte der Schwerpunkt an der Stelle möglichst niedrig liegen. Damit kann man durch leichten Druck auf den hinteren Teil, das Vorderrad vom Boden heben, um z.B. Bordsteinkanten zu bewältigen. Daneben kann man somit auch bei gerade gestellten Vorderrad durch leichte Neigung problemlos Kurven fahren.
Dennoch beruht die Steuerung des Rades in scharfen Kurven im Wesentlichen auf der Eigenlenkung durch unseren Sohn - ist also auf einen ``kooperativen Fahrgast'' angewiesen. Alle Varianten bei denen das schiebende Elternteil lenkt, die wir probiert haben, waren entweder zu instabil im Fahrverhalten oder benötigten für scharfe Kurven oder Bordsteinkanten zwei Hände. In unserem Modell ist das Vorderrad des Fahrrades normal frei beweglich und wird über eine Lenkstange, die zum Sitz geführt ist, gelenkt.
Durch das Vorhandensein eines stabilen Gepäckträgers konnte der Kindersitz direkt auf den Gepäckträger geschraubt werden. Dazu wurde um die Rohre des Gepäckträgers Montageband gezogen, durch dessen Löcher die Schrauben aus dem Boden der Sitzfläche des Kindersitzes geführt werden. Indem die Schrauben gleich durch beide Ebenen des Bandes verlaufen, kann mit ihnen gleichzeitig das Montageband festgezogen werden. Unterlegscheiben am Sitz und unter dem Band und Kontermuttern nicht vergessen. | |
In der Mitte des Sitzes vorn musste eine kleine Einkerbung (ca. 2cm) für das Sattelstützrohr eingesägt werden, so dass der Sitz weit genug nach vorn kommt. Das Sattelrohr wurde mit einem Plastikkorken verschlossen. Die Fußstütze für das gesunde Bein wurde normal, wie beim Fahrradsitz vorgesehen, eingesetzt. Für den Schiebegriff wurde 16mm dickes Aluminiumrohr in zwei Teile von jeweils ca. 110cm zurechtgesägt, das eine Ende jeweils platt und das andere halbrund geklopft. Durch das platte Ende kommt eine 10mm Bohrung, durch die die Hinterradnabe geführt wird. Beide Rohre werden zudem mit den Schlauchschellen an der hinteren Befestigung des Gepäckträgers und mit Schrauben am oberen umgebogenen Ende der Rückenlehne des Kindersitzes befestigt und oben zusammengeführt und miteinander verschraubt. Über die gemeinsamen halbrunden Enden kann dann ein Lenkergriff zum Schieben gezogen werden. Die Länge der Schieberohre sollte vorher so abgemessen werden, dass sich eine bequeme Schiebehöhe entprechend der Größe der Eltern ergibt. |
Im Lenker wird die Lenkstange durch ein einseitig angebrachtes ca. 20cm langes Kupferrohr ersetzt. An dessen Ende wird ein zweiter Lenkervorbau mit der Stange nach oben so befestigt, dass sich bei gerade nach hinten führendem Lenkrohr diese Stange genau mittig vor dem Sattelrohr befindet. Es muss also darauf geachtet werden, dass die beiden Lenkervorbaus an den Enden des Lenkrohrs in dieselbe Richtung weisen. Über die nach oben stehende Stange des zweiten Vorbaus wird ein Lenkergriff gezogen. Bei ordentlicher Montage kann man ein einfaches Textilgummiband zwischen diesem Lenkergriff und dem Sattelrohr ziehen, dass das Rad bei sonst frei stehendem Lenker genau geradeaus hält. Somit ist es bei gerader Fahrt nicht nötig, die Lenkstange festzuhalten. Daneben ist es mit ein wenig Übung auch möglich das leere Rad mit einer Hand allein durch die Änderung der Neigung zu steuern. | ||
Die normale Aufhängung des Kindersitzes wurde am vorderen Stützrohr befestigt. Durch das Loch auf der rechten Seite wurde eine Gewindestange geführt und mit jeweils zwei Muttern über und unter der Halterung befestigt. Die Gewindestange wurde umgebogen und neben dem Rad senkrecht nach unten geführt. Daran wurde ein durchbohrter Winkel befestigt, in den die Perthesschiene bequem eingehängt werden kann. Die Feinjustage dieser Aufhängung erfordert einiges Probieren und ist wahrscheinlich auch von Kind zu Kind etwas unterschiedlich noetig, damit das Bein einerseits nicht zu hoch gehoben werden muss, auf der anderen Seite aber auch nicht beim Fahren scharfer Kurven mit dem vordern Schutzblech oder Rad kollidiert. Insgesamt ist das Rad damit sehr robust und beweglich und kann sehr leicht geschoben und auch transportiert werden. |
Copyright: Annett und Volker Ossenkopf |
15. September 2000 Letzte Änderung: 21. September 2001 |